Ich sitze vor meinem Rechner. Auf dem Bildschirm leuchtet mir der Körper des Inders entgegen. In all seinen Schattierungen und Details. Ich schaue mir sein Rückgrat zum gefühlt zwanzigsten Mal Wirbel für Wirbel durch. Anhand der Spannungsmuster, die sich durch die Gewalteinwirkung in den Wirbeln eingraviert haben versuche ich festzustellen, in welcher Abfolge, die Wirbel gebrochen sind. Es ist ein recht neues Messverfahren und ich habe noch keine Ahnung, wie man es richtig einsetzt. Doch ich habe eine Vorstellung davon und es ist die einzige Möglichkeit den Tod des Inders zu rekonstruieren. Es ist heute schon der dritte Tag, an dem ich mich mit Viladings Wirbeln beschäftige und mir fallen ständig die Augen zu. Analysieren ist ein Scheiß Job. Anders als Häuser bauen oder ein Musikstück zu komponieren. Obwohl, auch da gibt es Phasen der Ergebnislosigkeit Wie viele Romane gibt es über das Schreiben? Und was ist mit all den Musikern, denen auf einmal nichts mehr einfällt? Oder denen nie was eingefallen ist? Rechnet man dann noch die Bauarbeiter hinzu, die auf den Mörtel warten oder auf eine Baugenehmigung oder den Parkschein für den Bulli, dann kommen eine Menge Leute zusammen, die in einer ähnlichen Situation stecken, wie ich. der ratlos auf. Nichts ist motivierender, als das Elend anderer und so blick ich wieder auf meine Scheißbilder. DA! Ich stiere auf den Monitor, kann aber nichts erkennen. Doch ich gebe nicht auf. Nach gut einer Stunde dummen Stierens schaue wieder weg und erneut hin. Da ist es wieder. Ich wiederhole den Vorgang, Hinschauen, wegschauen. Gut zwanzig Minuten später hab ich den Ort der Erscheinung lokalisiert. Ich vergrößere das Bild des zerstörten 3. Wirbels. Tatsächlich! Da ist ein Schatten, der keinen feinen Bruch darstellt, sondern etwas anderes, künstliches. Zu glatt. Ich drehe die dreidimensionale Abbildung so, dass ich sehen kann, welche Form der Schatten hat: Es ist eine ebene Fläche, die zwei Bruchstücke des Wirbels trennt. Wie ein Schnitt. Ich schiebe das Bild hin und her, las es rotieren und rollen. Nach und nach erkenne ich immer mehr glatte Bruchflächen. Ich lasse den Computer die Bruchstücke so zusammensetzen, dass der ursprüngliche Wirbel wieder entsteht. Es scheint, als ob eine glatte Fläche den Wirbel durchzieht. Was ist da los?
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