Nach Kalintas Ende war die Stimmung nur kurze Zeit getrübt. Selbst ich, der ein Auge auf sie geworfen hatte, zog es vor, mich mehr mit dem Aktuellen als mit dem Vergangenen zu beschäftigen. Das hieß immer tiefer in die Berge von Kalun reisen. Jetzt in Begleitung einer Horde wild durcheinander reitender und ständig brüllender Banuten. Mehr noch als ihr Geschrei machte mir der infernalische Gestank, den sie ausströmten Probleme. Etwa alle zwei bis drei Stunden musste ich mich in die Büsche schlagen und übergeben Um weitere tödliche Konflikte und den Geruch zu vermeiden, schlugen wir unsere Nachtlager fast eine Meile voneinander entfernt auf. So gelangten wir nach drei anstrengenden Tagen, in denen die Luft immer dünner und kälter wurde vollständig bei den Vanaren.
Die Vanaren sind bei weitem das arroganteste Volk, das mir je zu Gesicht gekommen ist. Sie sind von feingliedriger jedoch sehr athletischer Gestalt. Meist überragen sie die Umgebenden um mindestens eine Spanne. Ihre Haut ist blass, fast blau und ihre Augen sind nahezu schwarz. Nase und Kinn laufen spitz zu, dabei trägt jeder Vanare eine Miene zur Schau, als sei er alleiniger Herrscher. Keine Ahnung, wie die untereinander zu recht kommen können. Unsere Ankunft wurde mit einem verächtlichen Pfeifen kommentiert. Wir wussten, dass mit diesem Volk nicht zu spaßen ist und vermieden tunlichste jede Provokation. Man wies uns unsere Bettlager zu und beachtete uns nicht weiter. Ein Fest wie bei den Banuten gab es nicht. Als unser Tross am nächsten Morgen loszog übernahmen die Vanaren wie selbstverständlich die Spitze. Mittlerweile waren nicht nur die Gipfel der Berge mit Schnee bedeckt und ich freute mich über die warmen Ziegenfellsocken, die mir meine Mutter vorsorglich eingepackt hatte. Meine Begleiterinnen warfen einen Rock über den anderen, doch hatte ich nicht das Gefühl, als ob es ihnen helfen würde. Ihre riesigen Nasen und Ohren wurden immer röter und röter. Den Vanaren hingegen schien die Kälte nichts anzuhaben. Sie trugen nach wie vor ihre leichten Umhänge unter denen ihre bläuliche Haut durchschimmerte. Als wir den Pass von Aalon erreichten, waren die Vanaren die einzigen, die noch klar denken konnten. Wir anderen, ob Banuten oder wir selbst dämmerten längst in eine Art Kältedelirium dahin. So kann ich mich an den Abstieg ins Tal von Aalon nicht mehr erinnern. Erst als eine aufgeregt Herde pummeliger Zwerge um mich herum tanzte und mir warme Flüssigkeit einträufelte war mir klar: Wir hatten unsere dritten Verbündeten erreicht: Die Aalon.
Die Aalon sind meist von kindhafter und rundlicher Gestalt. Ihre Gesichter gleichen einem Vollmond und ihre Züge sind stets freundlich aus denen himmelblaue Augen lächeln. Reizt man sie aber allzu sehr, laufen sie puterrot an und aus ihren Augen scheinen Feuerblitze zu schlagen. Ihr Mondgesicht verzehrt sich zu einer Fratze und sie beginnen zu krakeelen wie ein alterndes Waschweib, dem die frisch gewaschene Wäsche beschmutzt wurde. Sie stampfen von einem Bein aufs andere bis der Boden sich ihrem Rhythmus anpasst und zu beben beginnt. Mag dies bei einem einzelnen Aalon noch recht lächerliche erscheinen, so muss man einmal erlebt haben, wie ein nur kleines Heer von wenigen hundert Aalon einen Berg zum Einsturz bringt. So wie sie es bei der Schlacht von Gondra taten, als die Situation für uns Kämpfer schon längst aussichtslos war. Die feindlichen Krieger – deren Volksstämme ich jetzt nicht aufzählen möchte, allein um Verwirrung zu vermeiden – hatten uns eingekesselt und waren dabei uns gnadenlos nieder zu metzeln, als die Aalon begannen sich aufzuregen. Zuerst machte das Krakeele aus hunderten Kehlen jeden klaren Gedanken unmöglich. Die Waffen, Schwerter, Streitäxte, Lanzen, Speere hingen hilflos in der Luft, dann erfüllte eine unerklärbare Hitze das Tal von Gondra und während wir alle auf dem Schlachtfeld versuchten unserer Verwirrung Herr zu werden, begann der Boden unter unseren Füßen rhythmisch zu beben. Erst leicht und sacht, so wie bei einem vorbei reitenden Elefanten doch dann wurde die Bodenbewegung immer stärker. Statt unser feindliches Gegenüber mit einem gekonnten Hieb ins Jenseits zu befördern hielten wir uns auf einmal aneinander fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Das Beben wurde jedoch immer stärker und als die gesamte Schlachtengemeinschaft am Boden lag, stürzte der das Tals südlich begrenzende Berghang in sich zusammen und begrub eine Flanke des feindlichen Heeres. Nicht nur dieser Umstand half uns beim Überleben. Denn wir als Verbündete der Aalon wussten wozu sie fähig waren, Unsere Feinde hingegen wurden von den Ereignissen überrascht. So kam es dass diese verwirrt nach unserer helfenden Hand griffen, die wir ihnen in heimtückischer Weise hinhielten, während wir in der anderen schon das Schwert oder was auch immer zum tödlichen Hieb erhoben. Es war ein Grauen erregendes Geräusch, als zugleich tausende Klingen in die Körper unserer Feinde drangen, um dort Kochen und Gedärm zu zermalmen. Hier mag jetzt der ein oder andere sagen, ojoiojoi, das war aber nicht sehr fair. Stimmt, aber so ist das Kriegsgeschäft. Dich ich schweife ab. Eigentlich wollte ich ja unsere Verbündeten, beschreiben. Die Aalon lebten in einem gar wundersamen Tal, wie man es sich grüner und lieblicher nicht vorstellen kann. Wiesen und Wälder waren bunt durchzogen von Blumen, Schmetterlinge, einer schöner als der andere schwebten durch die Luft und erspähte man ein größeres Tier, so lächelte es einen freundlich aus großen Augen an. Die Aalon waren Vegetarier. Wir nicht und so lächelten einige große Augen das letzte Mal. Den Aalon gefiel das zwar nicht, doch sie waren nicht nur grundsätzlich freundliche Menschen sondern auch gute Gastgeber und so ließen sie uns gewähren. Am Abend unserer Ankunft gab es neben dem Grün der Pflanzen noch eine zweite dominierende Farbe in den Wiesen und Wäldern von Aalon.
– Hei du Missgeburt, reich mir Essen und Trinken rüber. Ich habe Hunger und Durst!
Vaduta, ich vergas. Während ich in meinen Vorratssack, nach Dörrfleisch und Trockenbrot krame versuche ich mich zu erinnern, ob sie immer so missmutig war. Als Kind zumindest galt sie trotz ihrer Hässlichkeit als eines der liebreizendsten Wesen unseres Dorfes und jeder der sie kannte freute sich auf ein Wiedersehen. Vadura lächelte jeden an, der ihr begegnete. Dazu kam, dass sie als ausgesprochen klug galt. Wenn ich mich recht entsinne bekam ihre Freundlichkeit erste Risse, als unser Volk beschloss, den Jungs die rechten Arme abzuhacken. Vaduta konnte so ein Handeln sicher nicht verstehen oder gar gut heißen. Immer öfter sah man sie seitdem mit traurigem Gesicht, dass sich mehr aus Gewohnheit aufhellte, wenn man sie ansprach, denn aus wahren Gefühlen. Wie das jedoch so ist bei Kindern achtete niemand auf diese Gemütsveränderung und als Vaduta dann die Kampfkunst erlernte, war es für niemanden ein Wunder, dass sie auch hier Talent zeigte.
– Mach hin du Lahmarsch. Soll ich hier auf dem Gaul vertrocknen und verhungern?
Ich reiche ihr den Wasserschlauch und die Speisen. Beides reist sie mir schnaubend aus der Hand und führt ihren Gaul von mir weg.