Der Plan heute nüchtern zu bleiben ist in die Hose gegangen. Mir dreht sich alles. Meine Laune ist auf einem Tiefpunkt. Versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Gelingt mir nicht. Sollte vielleicht das Denken sein lassen. Das gelingt. Ich schlafe ein. Der Morgen hat für mich schlechte Laune, einen mittleren Kater und Sockengeschmack im Mund vorbereitet. Ich nehme leise fluchend an, Will im Bett liegen bleiben. Bin schlau genug, zu wissen, dass das nichts helfen wird. Meine ungeliebten Begleiter würde es nur freuen. Ich muss unter Wasser. Im Schwimmbecken zieht Sylvia ihre Bahnen. Das hatte ich vergessen. Bin ihr sonst immer gern begegnet. Vielleicht hab ich wegen ihr sogar das Schwimmen auf den Morgen gelegt. Wer weiß das jetzt noch? Das Wasser schlägt kalt über mir zusammen. Ich mache langsame Züge, versuche in einen Rhythmus zu kommen, der mich nicht nach drei Bahnen umbringt. Das fällt mir immer schwer. Doch heute habe ich Glück. Nach der vierten Bahn weiß ich, dass das erst mal so weiter gehen kann. Es fühlt sich gut an, zu spüren, wie die Arme durch das Wasser pflügen und mich langsam nach vorne treiben. Theoretisch könnte Schwimmen ideal sein, um über anstehende Probleme nachzudenken. Den Tod des Inders etwa oder die Situation des Schiffes. Mir gelingt das jedoch nie. Auch jetzt nicht. Kann mich nicht auf etwas Abstraktes konzentrieren. Stattdessen phantasiere ich davon als Extremsportler den Atlantik oder sonst ein großes Gewässer zu durchschwimmen. Infantil, ja, aber es macht Spaß und ohne dass ich es merke verbessert sich meine Laune. Als ich nach einer Stunde endlich aufhöre, sehe ich, dass Sylvia am Beckenrand auf mich zu warten scheint. Ich paddel zu ihr.
„Nicht schlecht! Du bist verdammt schnell,“ lobt sie mich.
Hatte eigentlich nicht das Gefühl, aber als Atlantikschwimmer in spe braucht man jede Aufmunterung.
„Danke! Wie war´s denn noch gestern?“ eigentlich will ich’s gar nicht wissen, aber mir fällt keine bessere Frage ein.
„Bin kurz nach euch abgehauen. Hatte ein bisschen zu viel von dem Prosecco und konnte das ganze Geschwätz nicht mehr hören. Außerdem war Captain Miller ganz schön besoffen und grummelte nur noch so vor sich hin. Ben machte wieder einen auf großen Charmeur und ließ eine Anekdote nach der anderen platzen. Es war zum kotzen. Das hab ich dann auch getan.“ Ich schau sie etwas verwirrt an.
„Nein, nicht vor versammelter Mannschaft! Hab das bei mir erledigt.“
„Wie war eigentlich Svende drauf?“
„Schwer zu sagen. Könnte glatt sein, dass er sich sogar amüsierte. Du weißt, er konnte Jogudings nicht ausstehen. Ach so und die Deutsche war auch noch da und hat brav mit gelacht.“
„Sag mal, woher kennst du eigentlich Ben?“ ich bin selbst überrascht, dass ich das frage.
Sie nicht: „Keine Ahnung, aber es ist so als hätten wir schon mal viel Zeit miteinander verbracht. Kennst du das nicht, dass du Menschen begegnest, die dir nicht nur bekannt sondern auch vertraut vorkommen?“
Ich zucke die Schultern: „Und jetzt?“
„Was soll sein? Wir haben uns gestern über die jetzige Situation unterhalten. Ich wollte ihn mal sprechen ohne dass er vor anderen aufschneiden muss und weißt du was? Es ist gar kein Wunder, dass er so eine Wirkung auf Frauen hat. Wenn du ihn alleine sprichst, dann ist der einfach total nett und intelligent. Er teilt unser Unbehagen, was die Deutsche angeht. Seit dem wir auf der Mission sind versucht er aus den Unterlagen schlau zu werden, die ihm zugänglich sind. Er hat sogar Captain Miller um mehr Informationen angegangen. Nein es war sehr schön gestern. Willst du noch mehr wissen?“
Statt einer Antwort tauche ich unter und greife nach ihren Fesseln. Damit hat sie nicht gerechnet und es gelingt mir sie zu zoppen. Nur ganz kurz, dann lass ich sie los und tauche wieder auf. Dort wartet sie schon, um mir mit aller Kraft den Kopf unter Wasser zu tauchen. Damit habe ich gerechnet und rechtzeitig den Mund zu. Als ich wieder auftauche pruste und huste ich trotzdem. Sie lacht.
„Was hast du heute vor?“
„Werde mich weiter mit dem Viladings befassen. Und du?“
„Weiter die Zeichen auslesen. Wir haben schließlich eine Mission zu erfüllen.“