Die Ebene 17


Draußen auf dem Gang wird mir schlagartig bewusst, dass ich an Bens Zimmer vorbei muss. Ich blicke auf das Glas, dass ich immer noch in der Hand halte und stürze den Schnaps in mich rein. Töte sie lieber Alkohol, töte sie! All diese Hirnzellen, die das gleich erlebte wahrnehmen und registrieren wollen. Nur um mich zu quälen. Ich bin mir sicher,  es wird ein blutiger Kampf toben, den der Alkohol nicht gewinnen kann. Zu durchtrieben sind die kleinen Drecksdinger da oben. Ich spüre, wie sie registrieren und vernetzen. Nur damit sie bis in alle Ewigkeit über mich herfallen können mit ihren Erinnerungen und den daraus resultierenden Gedanken. Ich wünsche mir eine Teilzeit Demenz. Vielleicht gibt es dafür ja sogar Pillen. Werd mal in der Bordapotheke schauen und wenn nicht werde ich sie erfinden und damit reich werden. Vielleicht steht Sylvia ja auf Kohle. Aber wahrscheinlich ist ihr das Scheißegal. Na und! Es gibt genug andere Frauen. Werd sie alle flachlegen. So wie Ben meine Sylvia. Ich schaff es nicht und wanke zurück in Smergs Zimmer, halte ihm den Becher unter die Nase und er gießt ein. Erst als das Glas überläuft sage ich stopp, lecke umständlich den Schnaps von meinen Fingern, wodurch noch mehr verschüttet wird und kippe dann das Glas in mich rein. Mir wird fast schwarz vor Augen, ich jappse wie ein Ertrinkender und muss dann husten. Smerge klopft mit seiner Riesenpranke auf meinen Rücken.

„Mann, Mann! Dich hat´s aber erwischt.“

Ich will mir keine Blöße geben und grinse ihn unter vertränten Augen an.

„Ach scheiß was drauf!“

Dann reiße ich mich hoch und stürze durch den Flur, vorbei an Bens Zimmer. Es ist nichts zu hören. Oder doch. Leise Stimmen. Sie klingen vertraut. Wie zwei Menschen, die sich seit langem kennen. Mir wird schwarz vor Augen. Blind renne ich in mein Zimmer und werfe den Kopf über die Kloschüssel. Ich will mich übergeben. Alles raus kotzen, was die letzten Minuten oder Stunden an mich gedrungen ist. Doch es gelingt mir nicht. So sehr ich mich anstrenge. Außer ein bisschen Gewürge kommt nix raus. Werde wohl alles mit in Grab nehmen. Na gut, damit weiß ich umzugehen. Was sich eben noch wie das Ende meines Daseins anfühlte wird langsam zu einem Insekt, dass ich analysiert und bestimmt habe. Jetzt bin ich bereit es aufzuspießen und meiner Sammlung zu übergeben. Der Gedanke gefällt mir so gut, dass sich meine Stimmung schlagartig verbessert. Ich fühle mich unverwundbar. So wie Siegfried oder dieser Grieche Achilles. Nur dass ich keine Ferse habe.

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Über dieebene

tv-autor, journalist, filmemacher
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