Weit liegt sie vor mir die Ebene meiner Heimat. Ich konnte sie schon von weitem riechen. Die Pflanzen, die Bäume, das karge Strauchwerk, die trockenen Wiesen. Doch erst jetzt, wo ich den Pass überquere und das Farbenspiel der verschiedenen Ocker-, Orange und Gelbtöne vor Augen habe, dringt sie mit ungebändigter Macht in mein Hirn. Auch wenn ich kein Jüngling mehr bin und schon so manche Schlacht geschlagen habe; dieser Moment macht mich immer noch ein wenig schwach.
Ich kehre zurück und Trauer lastet auf meiner Seele. Ich weiß nicht mehr, wann ich meinem Geburtsort den Rücken gekehrt habe. Zu viel ist geschehen, seit dem die Ratgeberin meines Vaters dafür sorgte, dass er uns in den Krieg schickte und damals wusste auch niemand warum. Der Idiot hörte auf alles, was einen Weiberrock trug und ihm nur die geringsten sexuellen Freuden in Aussicht stellte. Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt schon ausrangiert, obwohl sie die schönste Frau im Dorf war. Was – nebenbei bemerkt – nicht so schwer war. Wir waren nur etwas mehr als 150 Leute und eine Laune der Natur oder der aus der Not geborene Hang zur Inzucht hatte den meisten von uns etwas zu große Ohren oder Nasen wachsen lassen. Meine Eltern und zum Glück auch ich bleiben verschont. Vielleicht war mein Vater deshalb zum Chef gewählt worden. Jetzt nutzte er es aus, so gut es ging. Aber ich schweife ab. Es ging um den Abschied von unseren Lieben. Zu meiner Seite ritten die 37 großohrigen und großnasigen Freundinnen, die mich in den Feldzug begleiten sollten und die ich jetzt nach so vielen Schlachten schwer vermisse. Es waren alles geschickte Kriegerinnen, deren Griff zum Schwert nur selten länger dauerte, als das Addieren dreier siebenstelliger Primzahlen. Ein Umstand, den unsere Feinde leidlich ausnutzen würden. Zumindest solange bis wir mit dem Addieren Fortschritte machten. Doch damals strotzten wir nur so vor Selbstvertrauen und setzten die wildesten Mienen auf. Ich war der einzige Mann in dieser wüsten Horde von Reiterinnen und malte mir schon aus, welche der Grazien ich denn als erstes zur Geliebten nehmen würde. Mir schwindelte bei dem Gedanken an diese vor mir liegenden Zeiten. Während ich das Verlangen in meinen Lenden hochsteigen spürte, wurde ich jedoch in meiner Wolllust unterbrochen. Dummerweise schaute ich mich auf der Suche nach der geeigneten Bettgenossin um und mein Blick fiel jedes Mal entweder auf ein Paar große Ohren oder auf eine dominante Nase. Der Gedanke, wie ich diese wundersame Physiognomie wohl in der ersten Nachte würde ignorieren können wirkte wie ein Block Eis, den sich ein Boxer vor dem Kampf an die primären Geschlechtsmerkmale hält. Für alle, die also jetzt ausufernde Schilderungen meiner amourösen Abenteuer erwarten, muss ich leider Entwarnung geben. Auf dem gesamten Feldzug passierte gar nichts. Oder fast gar nichts, doch dazu später. Jetzt muss ich erst mal die Ockertöne meiner Heimat aufsaugen.
– Eh du blöder Arsch! Kannst du vielleicht mal aufhören in der Landschaft rumzuglotzen!
Es ist die liebreizende Stimme meiner letzten Gefährtin, die hinreißende Vaduta, die mich aus meiner Meditation löst.
– Lass uns endlich heim reiten. Oder glaubst du es macht mir Spaß mit dieser Kugel vor dem Bauch im Sattel zu sitzen!
Ja, ich weiß! Ihr werdet Euch sicher fragen, was da geschehen ist. Was ist die Kugel vor ihrem Bauch? Warum gebe ich keine Antwort? Überhaupt – wie redet dieses Weib eigentlich mit mir? Dem Sohn des Chefs! Die Antwort ist einfach, doch für diejenigen die weder mit dem Verlauf unseres Schicksals betraut sind noch die Sitten unseres Volkes kennen sicher rätselhaft. Deshalb die folgenden Zeilen.
….wird in einer Woche fortgesetzt